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Pressestimmen
»Wir wissen am Ende dieses cleveren und erschütternd kraftvollen Buches, dass das Monster der Erinnerung weiter frisst. Es wird niemals satt.« --Münchner Feuilleton»Yishai Sarid macht mit seinem kleinen, leisen Buch unmissverständlich klar: Es gibt Verdrängung, aber kein Ende der Erinnerung.« --Deutschlandfunk Kultur»Detailgenau führt Yishai Sarid seine Leser ins Labyrinth dieser Erinnerungsmoral. Ein Buch wie ein Schlag in den Magen. Mit Demut zu lesen.« --Bayern 2»Monster ist der literarische Nachvollzug einer moralischen Zerrüttung angesichts des Endes der Zeitzeugenschaft, die uns mit dem Holocaust verbindet. Mit schonungsloser Meisterschaft geschrieben, zielt es in das taube Herz der Gedächtniskultur.« -- FAZ»Er hat eine nüchterne Schreibhaltung gewählt, was für eine beeindruckende Leistung. Akribisch genau und scheinbar ohne ein Gefühl zuzulassen hat er das vielleicht Schwierigste zwischen Juden, Israelis und nichtjüdischen Deutschen zum Thema gemacht.« -- NDR1 Kulturspiegel»Sarid schildert erschütternd und zugleich nachvollziehbar wie das "Monster der Erinnerung" wirkt.« -- WDR3
Über den Autor und weitere Mitwirkende
YISHAI SARID wurde 1965 in Tel Aviv geboren, wo er bis heute lebt. Nachdem er als Nachrichtenoffizier in der israelischen Armee tätig war, studierte er in Jerusalem und Harvard und arbeitete später als Staatsanwalt. Heute ist er als Rechtsanwalt tätig, und er veröffentlicht Artikel in diversen Zeitungen. Bei Kein & Aber erschienen bislang seine Romane Limassol und Alles andere als ein Kinderspiel.
Produktinformation
Gebundene Ausgabe: 176 Seiten
Verlag: Kein & Aber; Auflage: 3. Auflage (4. Februar 2019)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3036957960
ISBN-13: 978-3036957968
Größe und/oder Gewicht:
12,1 x 2 x 19 cm
Durchschnittliche Kundenbewertung:
5.0 von 5 Sternen
8 Kundenrezensionen
Amazon Bestseller-Rang:
Nr. 18.304 in Bücher (Siehe Top 100 in Bücher)
Muss man die Gräuel der systematischen Judenvernichtung immer wieder schildern, um ausschließen zu können, dass sich so etwas auf keinen Fall wiederholen wird? Oder wird man durch diese wiederholten Konfrontationen abgestumpfter dem Leiden gegenüber, da das Leben doch irgendwie weitergehen muss – egal wie grausam, wie unvorstellbar das Leid gewesen ist? Und wie kann gegebenenfalls eine Erinnerungskultur aussehen, die zwar nicht ständig in der Wunde bohrt, aber dennoch dazu beiträgt, den sich in die Generationen hinziehenden Schmerz irgendwie zu kanalisieren? Und zwar so, dass Aussöhnung möglich wird.Der Roman des israelischen Autors Yishai Sarid geht hier einen ungewöhnlichen Weg, einen Weg der beim Leser Irritationen hervorruft, da er das nur schwerlich zu beschreibende Geschehene (nur technisch oder auch emotional; geht es überhaupt ohne Emotionen?) mit Vorgängen der Jetztzeit verbindet, ohne eindeutig Stellung zu beziehen (der mahnende Finger wird nur indirekt erkennbar, und mündet in der Frage: „Was hätte ich an ihrer Stelle getan?“ als es um den Verrat von Juden geht, um das eigene Leben zu retten) bis zum Schluss, der irgendwie in der persönlichen Diffusität des Protagonisten verschwindet.Diese eher kleine Buch, man möchte es fast liebevoll Büchlein nennen, liest sich allerdings wie ein Riesenwälzer. Denn die Auseinandersetzung mit dem Geschrieben geht unter die Haut, bringt Gehirn und Blut in Wallung (um es einmal bildlich auszudrücken), sodass man phasenweise mehr mit den eigenen Gedanken beschäftigt ist, als mit dem Weiterlesen. Fast zwangsläufig drängen sich Fragen auf, zusammen mit dem Wunsch, eine einigermaßen passende Lösung zu finden. Denn was hier angeboten wird, dazu kann man nicht einfach „Ja und Amen“ sagen; es entzieht sich dem einfachen „Gut-Böse-Schema“. Das ist das Unglaubliche an diesem Buch, welches Schreckliches behandelt, ohne dem Schrecklichen eine eindeutige Ecke zuzuordnen. Und dies bei der kaum nachvollziehbaren Brutalität dieses Themas!Zunächst liest es sich noch recht harmlos herunter, sieht man einmal ab, dass da jemand eine Doktorarbeit über das Thema „Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Arbeitsmethoden deutscher Vernichtungslager im Zweiten Weltkrieg“ schreibt und sich hierfür als „Reiseleiter“ zu den Stätten des Grauens (in Polen) anbietet. Na ja, warum nicht, könnte man meinen. Doch recht bald steckt man in seinen eigenen Gedanken fest, da die Schilderungen sich eben nicht im Eindeutigen verlieren, sondern die gesamte Spannbreite des menschlichen Verhaltens sichtbar werden lässt – für jeden von uns. Und darin steckt, so möchte ich es mal bezeichnen, die besondere Perfidie dieses Romans. Leicht wäre es gewesen, die Gräuel zu bezeichnen und daraus eine Art „Aufklärungsgeschichte“ zu basteln. Jeder würde hier folgen können, jeder sich aufgehoben fühlen. Eindeutig. Doch hier klopft jemand die Vorstellungskraft und Schwächen der Rezipienten ab, bringt Verhaltensmuster zum Vorschein, die einen nur allzu bekannt vorkommen – und die hier nur eine gigantische Überhöhung erfahren haben. Steckt etwa das Monsterhafte in jedem von uns? Diese Frage wird auf unterschiedlichen Ebenen behandelt. Die immer weiter perfektionierte Maschinerie des Tötens erfährt hier mit der Entwicklung eines Computerspiels eine quasi 1:1 Wiederholung, im Denken, im Konstruieren (entwickeln einer immer besseren Software zur Simulation des Grauens …) und im Sprachgebrauch (die Wannsee-Konferenz wird zum Wannsee-Projekt, das Einsatzkommando zur Einsatzabteilung). Gleiches gilt für die Erinnerungskultur (an das Töten wird mit einer Flugshow erinnert, das Militär mit der Organisation von Gedenktagen betraut – alles wird generalstabsmäßig, hier wie dort, organisiert …) oder das professionelle Abarbeiten der KZ-Exkursionen. Experten hier wie dort. Das Archaische in uns bricht sich immer wieder Bahn.Das Buch bietet eine herausragende Möglichkeit sich den eignen Schwächen zu stellen – und sich dabei dem unglaublichen Geschehen aus einer ungewöhnlichen Perspektive zu nähern. Es bietet die Möglichkeit, das Trennende „Wir und die anderen“ ein stückweit aufzuheben.
Erinnerung ist das mentale Wiedererleben früherer Erlebnisse und Erfahrungen, so Meyers Lexikon. Erinnerungen an Episoden (d. h. Erlebnisse) stammen aus dem autobiographischen Gedächtnis und unterscheiden sich vom Wissen über Episoden (d. h. Ereignisse), so Georg Goldenberg in „Neuropsychologie: Grundlagen, Klinik, Rehabilitation“.Wenn ich eingedenk dessen sage, ich kann mich an den Holocaust nicht erinnern, ist das keine Leugnung, sondern wahr, denn ich habe keine eigene Erinnerung daran. Ich kenne die Zahlen des industriellen Massenmordes. Ich kenne die Namen der Vernichtungslager, die Durchführungswege der Tötung. Ich weiß, dass Millionen Ermordeter kein Grab haben, auf dem ein Stein mit ihrem Namen steht, sondern anonym verscharrt oder zu Asche verbrannt in alle Winde gestoben sind. Das Wissen allein rührt mich nicht. Es ist das durch das Wissen ermöglichte Hineinversetzen in die Lage der Opfer, das Erschrecken vor der Empathielosigkeit und Grausamkeit der Täter, das mich trifft. Vor allem sind es die Bilder - die nach Befreiung der Konzentrationslager gefilmten und die aufgrund von Zeitzeugenberichten imaginierten -, die sich in mein Gedächtnis unauslöschlich eingebrannt haben. Und es ist die Scham, dem Volk anzugehören, das den Haupttätern den Weg ebnete, wusste und wegsah.Was hat das alles mit dem Roman „Monster“ des israelischen Autors Yishai Sarid zu tun? Seinem namenlosen Ich-Erzähler, ein junger Historiker aus Jerusalem, ergeht es ganz ähnlich. Obwohl er als Angehöriger der jüdischen Religionsgemeinschaft, so meint man, einen ganz anderen Bezug zum Versuch der Auslöschung der Juden haben müsste, tut auch er sich schwer. „Mir graute vor der modernen Geschichte, die mir wie ein mächtig tosender Wasserfall vorkam. Ich suchte Ruhe und Gelassenheit in der Beschäftigung mit frühen Zeitaltern, […] Die Turbulenzen und Katastrophen unseres Volkes wollte ich meiden“ (Seite 8). Am Ende bleibt ihm bei den rar gesäten dotierten Stellen nur übrig, in Holocauststudien zu promovieren. Das Thema seiner Doktorarbeit hat es in sich: „Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Arbeitsmethoden deutscher Vernichtungslager im Zweiten Weltkrieg“. Man ist versucht, den Untertitel „Fallstudien deutscher Gründlichkeit und Effizienz“ anzufügen. Mit ähnlicher Akribie geht der Protagonist zu Werke, fräst sich durch tausende Quellen und vollzieht Lager für Lager akademisch den Weg von der Ankunft über die Selektion, den Fußmarsch zu den Gaskammern, die Entkleidung, das Haarscheren, das Einpferchen, den Einsatz von Zyklon-B, das Herausbrechen von Zahngold bis zur Entsorgung der Leichenberge durch andere Häftlinge nach. Nebenbei verdient der Protagonist für seine kleine, im Werden begriffene Familie Geld durch Führungen durch die Gedenkstätte Yad Vashem. Bald macht er sich einen Namen und wird Tourguide in Polen. Er führt erst israelische Schulklassen, dann Soldaten und später sogar hochrangige Regierungsvertreter durch Auschwitz-Birkenau, Sobibor, Treblinka, Majdanek und Belzec. Er ist so erfolgreich, dass er wegen der Vielzahl der Buchungen monatelang von seiner Familie getrennt ist und eine kleine Wohnung in Warschau nimmt. Es gelingt ihm zunächst, noch Zeitzeugen für die Führungen zu gewinnen, die den Fakten Gesicht und Stimme geben. Doch alsbald sind diese aufgrund ihres Alters und ihrer gesundheitlichen Verfasstheit nicht mehr in der Lage, ihn zu begleiten. Einer, der noch rüstig erscheint, stellt sich als Kapo, Funktionshäftling mit Leitungsfunktion, heraus. Sie sind auch Überlebende des Holocaust, aber werden als Helfershelfer verachtet. Der Ich-Erzähler, je tiefer er in die Materie eindringt, fragt sich, wie er wohl gehandelt hätte, wenn er durch Kollaboration auch nur eine Minute länger hätte leben dürfen. Auch muten ihm die Rituale der Schüler an den Stätten der Vernichtung zunehmend befremdlich an. Sie hüllen sich in die Flagge des Staates Israel, singen zur Gitarre traurige Lieder oder stimmen die Nationalhymne an. Diese Form des Erinnerungskults hält er für aufgesetzt, zumal er den Gesprächen der Kinder lauscht, die unbedachte, deplatzierte Bemerkungen fallen lassen, wie: „Araber, so müsste man es mit den Arabern machen“ (S. 20).Ein Junge zieht als Quintessenz in der obligatorischen Nachbesprechung: Man muss als Jude ein bisschen wie ein Nazi sein, um zu überleben. Stärke und Macht sowie der unbedingte Wille, bis zum Äußersten zu gehen, ist die Botschaft, die dieser Schüler aus Auschwitz mitnimmt. Der Ich-Erzähler macht unterdessen eine Veränderung durch. Die Fakten, die er mit Liebe zum Detail, aber ohne Regung vorträgt, steigen in ihm auf. Er sieht bei den Begehungen die Opfer, hört sie murmeln, sieht sie anstehen vor den Gaskammern. Sie folgen ihm bis in seine Träume. Er vereinsamt zunehmend, fällt zusehends in einen Zustand der Verwahrlosung. Seine Führungen werden immer eigenwilliger, seine Berichte immer krasser. Er konfrontiert mit Fakten und schockiert mit Metaphern, will in Hirne und Herzen pflanzen, was er sieht. Es kommt, wie es kommen muss: er wird als Kauz, gefährlicher Spinner abgetan. Er erhält nur noch sporadisch Aufträge, zuletzt soll er einen deutschen Regisseur auf einer vorbereitenden Reise für ein neues Filmprojekt über den Holocaust begleiten. Auf der Reise merkt er, dass er der Erklärbär und Vorzeigejude werden soll in einem Film, der wohl – ausweislich der Stichworte des Regisseurs – ein verkitscht-verschwurbeltes Werk über deutsch-jüdisches Erinnern werden soll („Leni Riefenstahl filmt den Besuch des Führers in Auschwitz, Jud Süß rückt in die israelische Armee ein […], der Bankier schiebt Leichen in den Verbrennungsofen […]“ S.173).Am Ende eskaliert es, weswegen der Ich-Erzähler nun dem Direktor des Yad Vashem, der ihm den Auftrag vermittelt hat, schriftlich Bericht erstattet. Der Roman ist der Bericht und er schließt mit den Worten „Ich musste das tun“.„Monster“ ist selbst monströs. Das Werk konfrontiert mit der Faszination des Grauens und nimmt die gelebte Erinnerungskultur aufs Korn, die entstanden ist, das Wissen um das kaltblütigste, monströseste Verbrechen der Menschheitsgeschichte von Generation zu Generation zu überliefern. Es tut dies aus israelischer, jüdischer Perspektive und ist zuvörderst an ein israelisches, jüdisches Publikum gerichtet. Aber es wirft die Frage auf, die sich auch und gerade aus deutscher Warte stellt: Wie gehen wir mit diesem Erbe um? Wie wirkt es nach? Was hat der Holocaust mit uns heute noch zu tun? Sondern wir an Gedenktagen nur noch ritualisiert die altbekannten, politisch-korrekten Sprechblasen ab, mimen Betroffenheit und dudeln traurige Weisen dazu? Musik kann ja bekanntermaßen zu den Tränen rühren, die – je weiter die Shoa zurückliegt und je länger die Opfer keinen persönlichen Bezug mehr zu uns haben – nicht mehr ohne Weiteres in uns aufsteigen wollen. Oder lassen wir uns ein, indem wir mitfühlend-progressiv gedenken und heute um die trauern, die unser Partner, Freund, Verwandter oder Nachbar nicht sein können, weil sechs Millionen Menschen ihr Leben nicht zu Ende leben, sich und ihre Möglichkeiten nicht weitergeben durften? Der Holocaust wirkt für immer fort. Wie halten wir das aus? Die Erinnerung, auch die nicht durch eigenes Erleben begründete, sondern nur überlieferte, ist ein Monster. Eines, dem man sich stellen sollte, damit die Unkenntnis nicht ein neues Monster gebiert, das wieder Millionen Menschen verschlingt. Das hat Yishai Sarid in seinem beeindruckenden Roman präzise auf den Punkt gebracht. Für mich wie ein Hieb auf die Zwölf.
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